BLKÖ:Riccabona zu Reichenfels, Karl von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Riccardi, Luigi
Band: 26 (1874), ab Seite: 14. (Quelle)
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Riccabona zu Reichenfels, Karl von (tirolischer Landtags-Deputirter und Poet, geb. zu Cavalese im Fleimser Thale Tirols im Jahre 1806, gest. zu Innsbruck 6. Jänner 1871). Karl ist der Sohn des Fleimser Handelsmannes Karl Joseph R. Nachdem er den Elementarunterricht im Elternhause erhalten, ging er auf das Gymnasium nach Botzen, und beendete seine Studien, 1826–1832, auf den Hochschulen zu Innsbruck, Padua und Wien. Nach abgelegter Richteramtsprüfung brachte er einige Jahre zu Kaltern und am Sitze seiner Familie in der Gerichtspraxis zu. Aus den von ihm hinterlassenen Papieren geht hervor, daß er einige Zeit mit dem Plane sich trug, dem Lehramte sich zuzuwenden. Aber als sein Vater im Jahre 1841 starb und R. an die Spitze eines ausgedehnten Geschäftsbetriebes und der Verwaltung eines Vermögens trat, das nach Hunderttausenden zählte, da wurden wohl alle anderen Pläne in den Hintergrund gedrängt, und so wenig ihn diese Beschäftigung auch anzog, so konnte sie doch nicht abgelehnt oder zurückgelegt werden, da es sich um Wahrung und Erhaltung des Familienvermögens handelte. Er leitete nun seine eigenen Angelegenheiten und lebte zurückgezogen im Kreise seiner Familie, bis ihn die Ereignisse des Jahres 1848 auf den öffentlichen Schauplatz riefen. Bald sah sich R. in eine nationalgefärbte Partei-Polemik verwickelt und großen Verdrießlichkeiten, ja Unbilden ausgesetzt. Der Umstand, daß er als Wälschtiroler – ohne jedoch seine österreichische Gesinnung je aufgegeben zu haben – die weiße Cocarde statt der schwarz-gelben trug, zog ihm von dem damaligen Landrichter von Cavalese die Bezeichnung eines „schlechten Oesterreichers“ zu, worüber Riccabona Genugthuung verlangte, die ihm auch in der Erklärung des Landrichters ward, „daß ihm jene Beschuldigung nur entschlüpft sei, da Riccabona sich öffentlich gebrüstet habe, ein „Erz-Oesterreicher“ (Arci-Austriaco) zu sein, womit jedoch der Landrichter das Tragen der weißen Cocarde nicht vereinbar fand“. Wie wenig übrigens diese Cocardenfarbe an sich hatte, beweist die Thatsache, daß der Landes-Gouverneur Graf Brandis den Innsbrucker Studenten weiße Cocarden zu tragen befahl. So unbedeutend und belanglos aber der obige Vorfall an sich war, so warf er doch noch auf R.’s spätere parlamentarische Thätigkeit seinen Schatten, da sich Freiherr Anton Di Pauli nicht entblödete, in der Sitzung des Tiroler Landtages vom 24. November 1866 seinem Unmuth über die Wälschtiroler dadurch Luft zu machen, daß er deren anwesende Vertreter beschuldigte, im Jahre 1848 sich [15] dem Andringen italienischer Freischaaren nicht widersetzt zu haben, welche Denunciation Riccabona entschieden zurückwies und in einer späteren Sitzung die zur Aufklärung des Thatbestandes erforderlichen Schriftstücke der Versammlung, zur Einsicht eines jeden Abgeordneten, überreichte. Unter der dem Wiener October-Aufstande gefolgten Säbelherrschaft wurde auch die Verfassung zu Grabe getragen, die Landtagsthätigkeit der Kronländer ward eingestellt, und Riccabona war wieder seinem Familienleben zurückgegeben. Nur das Vertrauen seiner Mitbürger, die ihm wiederholt das Bürgermeisteramt von Cavalese übertrugen, riß ihn aus demselben. Auf diesem Posten wirkte R. zum Besten der Gemeinde, die ihm manche wohlthätige Einrichtung verdankt, und deren Vertrauen er immer mehr und mehr gewann. Als dann im Jahre 1861 die Wahlen für den neu einberufenen Tiroler Landtag ausgeschrieben wurden, fiel auf Riccabona die Wahl, und er fand sich auch bei der am 6. April 1861 stattgehabten Eröffnung ein. In der Sitzung vom 12. April g. J. brachte er mit noch drei anderen wälschtirolischen Abgeordneten den Antrag ein, es sei ein besonderer Landtag und ein besonderes Landesstatut für den italienischen Landestheil Tirols zu bewilligen, übrigens sei der Provinzialverband aufrecht zu erhalten, und sollen auch gewisse „allgemeine Angelegenheiten“ in Zukunft gemeinschaftlich verhandelt werden. In der Sitzung vom 20. April begründete R. seinen Antrag in einer längeren Rede. Bald wuchs R.’s Ansehen und Beliebtheit im Landtage, Beweis dafür seine Wahl am 13. April zum Ersatzmann für den Landesausschuß und am 16. April zum Abgeordneten in den österreichischen Reichsrath. In den kirchlichen Fragen des Landtages verhielt sich R. tolerant, und wenn er sich in der Sitzung vom 17. April den bischöflichen Anträgen zum Schutze der Glaubenseinheit anschloß, so erklärte er doch in seiner denkwürdigen Rede vom 25. Februar 1863, daß es unbillig und sinnlos wäre, den Protestanten in Tirol die Ansiedlung zu verwehren. Im Ganzen hatte sich R. im Landtage seine Unabhängigkeit gewahrt, er ging mit der liberalen Partei, wenn deren Tendenzen mit seinen Ansichten zusammenschlugen; durch Dick und Dünn mit einer Partei zu gehen, das widerstrebte ihm, dem selbstständigen Denker, der in Allem seine eigene wohlerwogene Ansicht vertrat. Was nun seine Gesammtthätigkeit auf dem Landtage betrifft, so läßt sich diese in Folgendem zusammenfassen: In Ansehung der Landesverheidigung war er auf dem Landtage von 1861 gegen die Einbeziehung der Wälschtiroler in dieselbe; ja er verwarf damals sogar das Princip der zwangsweisen Heranziehung tirolischer Wehrkräfte zu derselben; als Wälschtiroler sprach er für die Gewerbefreiheit, für die Beschränkung des Einflusses der Gemeindevorsteher, dagegen widersetzte er sich in dieser Eigenschaft der Einschränkung des Vogelfanges; was die Vervollständigung der Innsbrucker Universität betrifft, so interessirte er sich lebhaft für diese Frage; ferner betrieb er standhaft die Hypothekenerneuerung, wünschte eine Revision der Landtags-Wahlordnung; großen Antheil bewies er immer, wenn die Theilung des Landes nach der Sprachgrenze discutirt wurde, für welche er mit dem ganzen Gewichte seiner Ueberzeugung einstand; seine Landtagsthätigkeit [16] beschloß er mit seiner am 16. December 1866 gehaltenen Rede, in welcher er über die Sistirungspolitik des Ministeriums Belcredi sein Verdammungsurtheil sprach. Er verlangte Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände, nur von ihnen eine Kräftigung Oesterreichs erwartend, und wer sich dagegen ausspricht, versündigt sich nach seiner Anschauung schwer gegen Oesterreich und gegen seinen Kaiser. Als am 18. Februar 1867 ein neuer Landtag zusammentrat, hatte die Rührigkeit einer extremen Partei seine Wiederwahl zu vereiteln gewußt. Nachdem im Vorstehenden seine öffentliche Thätigkeit gewürdigt worden, bleibt noch Einiges über ihn in anderer Richtung zu sagen. Durch eigenthümliche Verhältnisse, deren Schilderung sich der Aufgabe dieses Werkes entzieht, dann aber auch in Folge der Unlust, mit der R. die Verwaltung seines Vermögens übernahm, der er seiner ganzen Charakteranlage nach nicht gewachsen war, und wodurch er das Sinken seines Wohlstandes zum Theile selbst verschuldet haben mochte, verlor R. mit einem Male den größten Theil seines nicht unbedeutenden Vermögens, welcher Schlag ihn bei seiner zahlreichen Familie schwer genug traf. Im Jahre 1868 übersiedelte er nach Innsbruck, da die Erziehung seiner jüngeren Kinder diesen Aufenthaltswechsel bedingte. Dort verlebte er seine letzten Jahre. Noch wohnte er der Verfassungsfeier am 21. December 1870 bei, in welcher er einen Trinkspruch auf den „Muth“ ausbrachte, „der treu sich bleibt und immer gleich, daß ihm das große Werk gelinge: das eine freie Oesterreich“. Wenige Tage später erlag er einer Lungenentzündung im Alter von 65 Jahren. Karl von Riccabona war Publicist und noch mehr Poet. Einer der „Stillen im Lande“, die, von dem Markte des Lebens sich zurückziehend, in ihrem traulichen Heim ihr Glück und ihre Welt finden. Es fanden sich in seinem Nachlasse zahlreiche Gedichte, viele, welche noch in die Dreißiger-Jahre fallen, die eine fühlende Seele und einen poetisch geläuterten Geschmack bekunden, und ohne nach einem Vorbilde gearbeitet zu sein, der reine Ausdruck eines poetischen tiefempfindenden Gemüthes sind. Er hatte auch in früheren Jahren die Absicht, eine Sammlung seiner Poesien durch den Druck zu veröffentlichen, doch kam er nicht dazu, und nur Bidermann in dem in den Quellen angeführten Lebensabriß theilt einige seiner Gedichte mit. Ueberdieß fanden sich in seinem Nachlasse mehrere Schriften philosophischen und publicistischen Inhalts in deutscher und auch in italienischer Sprache, dahingegen die Gedichte sämmtlich in deutscher verfaßt sind. Unter den erwähnten Abhandlungen sind anzuführen: „Gedanken über Philosophie“ (1840), woran sich eine ganze Reihe von Abhandlungen ähnlichen Inhalts schließt-. – „Ueber das Wort und die Sprache“; – „Versuch einer akademischen Vorlesung über das Dasein Gottes“; – Alcune riflessioni sulla fonte del diritto; – „Di alcune condizioni fundamentali della libertà civile“; – „Gedanken zur Reconstruction der österreichischen Monarchie“; – „Ueber die Partei der Mitte“; – „Entusiasmo e fanatismo“, u. dgl. m. Riccabona war seit dem 5. August 1839 mit Josephine von Gasteiger, der Tochter des in Tirol rühmlichst bekannten Kreishauptmanns von Schwaz, Anton von Gasteiger [s. d. Bd. V, S. 100], vermält, aus welcher Ehe zehn Kinder den Vater überleben. Riccabona [17] war Mitglied des constitutionellen Vereins in Innsbruck und hatte in demselben oft Gelegenheit, seinen Verfassungseifer zu bethätigen. Ueber Ersuchen dieses Vereins verfaßte auch Professor Bidermann die in den Quellen angeführte Biographie.

Bidermann (Herm. Ign. Dr.), Carl von Riccabona zu Reichenfels, geb. 1806, gest. 1871. Eine Lebensskizze aus dem Mitgliederkreise des constitutionellen Vereins zu Innsbruck (Innsbruck 1872, F. J. Gaßner, 8°.).